Panik im Morgengrauen

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Montags-Blues

Wie fühlen Sie sich am Montagmorgen? Wahrscheinlich: schlecht. Montags-Blues nennen Wissenschaftler das Massenphänomen. Wie er entsteht, was dagegen hilft:

Action ist gut. Eva-Maria Schwalbach mag es gern turbulent, sie liebt den Kontakt zu Kollegen, spricht täglich mit «10 bis 15 Leuten». Für die Produktion des Mitarbeiter-Fernsehens ist die Kommunikationsmanagerin mit einem Kamera-Team schon morgens «ab neun quer durchs Unternehmen unterwegs». Die 34-Jährige liebt ihren Job bei Vodafone in Düsseldorf. Nur montags nicht. Da herrscht Ausnahmezustand. Und es gilt die selbst auferlegte Regel: keine Termine vor zwölf Uhr!

Montagmorgen, acht Uhr in Deutschland, überall dasselbe Bild: Arbeitsunlust, verquollene Augen, miese Laune – Katerstimmung in der Belegschaft. «Montags-Blues» nennen Wissenschaftler das Massenphänomen. Für jeden achten Bundesbürger ist, so ermittelte das Hamburger Marktforschungsinstitut Ears and Eyes, der Montag der «schlimmste Tag der Woche». An keinem anderen Wochentag ist die Verletzungsgefahr im Job größer, und auch bei der Zahl der Krankmeldungen ist der Montag einsame Spitze. Die Anlaufschwierigkeiten schlagen sich sogar in geringerer Produktivität nieder: Montags wird weniger geleistet als am Dienstag und am Mittwoch, belegt eine Studie der London School of Economics. Längst ist das Phänomen auch in Sprache und Kultur übergegangen: Wir sprechen vom «Montags-Auto», wenn der Wagen ständig Macken hat, und Anti-Montag-Songs – «I don’t like Mondays» (Boomtownrats), «Manic Monday» (Bangles) – haben beste Chancen zum Evergreen.

Nur: Woran liegt das?

Was dem Arbeitnehmer am Wochenanfang aufs Gemüt schlägt, ist für Wissenschaftler ein komplexer Forschungsgegenstand. Schlafforscher, Chronobiologen, Philosophen und Psychologen beschäftigen sich immer wieder mit dem Montags-Blues. Ergebnis: Dessen Ursachen sind vielfältig. Zum allgemeinen Missmut summieren sich ein am Wochenende aus dem Takt geratener Rhythmus und terminüberfrachtete Freizeit ebenso wie Wochenendpendelei und der Übergang von der privaten Zeit ins Korsett der Routine.


Alkoholgenuss, Ausschlafen, Aktivitäten – alles, was am Wochenende Spaß macht, fordert am Montag seinen Preis, wenn es übertrieben wird. «Das ist wie eine Hypothek: Wer sich zu viel herausnimmt, bezahlt hinterher eine hohe Rechnung», sagt der australische Schlafforscher Leon Lack. Keine Pause zu machen ist allerdings auch keine Alternative. Körper und Geist brauchen Auszeiten, um Kraft zu tanken. Doch auch hier wissen die Forscher Rat, wie Sie das Wochenende genießen und am Montag trotzdem durchstarten können.

Der Grundstein fürs Montagstief wird schon am Freitagabend gelegt: Viele gehen dann später als sonst ins Bett und tags darauf später wieder raus. Nahezu regelmäßig weichen die meisten am Wochenende von ihrem üblichen Rhythmus ab. Ein Fehler. «Der Körper merkt sich das und reagiert darauf», sagt Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums an der Universitäts-Klinik Regensburg. Unter der Woche beginnt der Körper zwischen drei und vier Uhr morgens mit der Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Zum Morgengrauen erreicht der Pegel schließlich seinen Höhepunkt – und wir wachen auf. Doch mit dem Wochenend-Lotterleben hat sich der Prozess um ein, zwei Stunden nach hinten verschoben. Die Folge: ein Mini-Jetlag. «Wir gehen montags zur Arbeit, während unser Körper noch schläft», sagt Schlafforscher Zulley.
Wer meint, nach nächtlichen Eskapaden am Freitag und Samstag einfach sonntagabends besonders früh ins Bett zu gehen, um seinen Rhythmus wiederzufinden, tut sich keinen Gefallen. Das führt allenfalls zu rastlosem Herumwälzen. In puncto Wachzeiten ist der Körper wesentlich anpassungsfähiger als bei seinen Schlafzeiten. Um die innere Uhr vorzustellen, ist es deshalb klüger, auch am Wochenende möglichst zur selben Zeit schlafen zu gehen wie unter der Woche. Für den Durchschnittsdeutschen bedeutet das: um 23.04 Uhr. Denn entscheidend für die Erholung ist nicht die Schlafdauer, sondern die Qualität. Und die ersten vier, fünf Stunden sind dabei die intensivsten.
Besonders hart trifft der Jetlag die sogenannten Eulen – also jene Nachtaktiven, die abends noch lange munter sind und morgens kaum aus dem Bett kommen. Wissenschaftler unterteilen Menschen nach ihren angeborenen Schlafvorlieben in sogenannte Chronotypen: in früh aufstehende Lerchen und ihr Pendant, die Eulen. Bei Letzteren ist «die Differenz zwischen ihren Schlafzeiten an Arbeits- und an freien Tagen am größten», sagt Chronobiologe Till Roenneberg von der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität. Unter der Woche kommt es bei ihnen zu einem beträchtlichen Schlafdefizit, das am Wochenende ausgeglichen wird. Extreme Spättypen fliegen im übertragenen Sinne jedes Wochenende nach New York.

Nicht nur zu wenig Cortisol im Blut macht uns zu Montagsmuffeln. Auch das Grübeln über die anstehende Arbeit oder das schwierige Projekt raubt uns den Schlaf. Fatal, seine Sorgen mit Alkohol zu betäuben. Alkohol wirkt zwar entspannend und macht müde. Doch der Schlaf danach ist keinesfalls erholsam. Besser: schon am Freitag vorbeugen. Psychologen raten dazu, Listen für die kommende Woche zu schreiben und rechtzeitig Absprachen mit den Kollegen zu treffen. Solche Rituale helfen, um den Kopf frei zu bekommen und zum Wochenende wirklich abzuschalten.
Wohl fühlt sich nur, wer Kontrolle über seine Zeit hat.
Montage bedeuten eine Zäsur. Nach der Erholung gilt es, wieder in die Routine zu finden. Der Trick ist, den Kontrast nicht zu groß ausfallen zu lassen – weder beim Schlaf noch bei den Aktivitäten. Vor allem aber ist ein guter Wochenstart Entscheidungssache: «Konzentrieren Sie sich auf die positiven Aspekte Ihrer Arbeit», rät Frese. So entsteht Montagslust statt -frust.

Quelle: WirtschaftsWoche 40/2007.