Spinnenseide

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Erfolg am seidenen Faden


Forschern an der Technischen Universität München ist es in internationaler Zusammenarbeit gelungen, ein faszinierendes Naturprodukt gentechnisch zu erzeugen: Der elastische und stabile Seidenfaden der Spinne, dem Wissenschaftler seit 30 Jahren auf der Spur sind, kann jetzt erstmals künstlich produziert werden. Mögliche Einsatzbereiche: Feuerfeste Stoffe, Fallschirme, als künstliche Sehnen oder Transportmittel für Medikamente - der hauchdünne Faden ist heiß begehrt.

Von der Idee zur Erfolgsstory
Doch der Erwartungsdruck, der auf seinem Erfinder lastet, ist groß. Denn es zeichnet sich ab, dass die Innovation nicht nur patentwürdig ist, sondern auch noch verspricht, eine Erfolgsstory auf dem Markt zu werden. Der junge Wissenschaftler Thomas Scheibel ist rund um die Uhr auf Achse, um seine Erfindung voranzubringen. Vom Erfinderberater über den Patentanwalt bis zum wissenschaftlichen Vortrag: Der Forscher wird zum Manager seiner eigenen Idee.

Spinnenseide im Reagenzglas züchten
Der Seidenfaden der Spinne ist eine einzigartige Naturfaser: zehnmal dünner als menschliches Haar, doch zwanzigmal stärker als Stahl - und zugleich elastischer als Gummi. Damit ist der Spinnenfaden jeder künstlichen Faser wie Nylon oder Keflar weit überlegen, denn die sind immer nur entweder stabil oder elastisch. Kein Wunder, dass das Interesse der Forschung in den letzten Jahren an dem seidenen Faden hing.

Faser der Zukunft
Forschung und Industrie träumen davon, aus diesem seidenen Faden die Stoffe der Zukunft zu weben: Feuerfeste Kleidung erscheint ebenso denkbar wie Fallschirmschnüre oder kugelsichere Westen. In der Medizin erhofft man sich einen Ersatz für Gips oder gar künstliche Sehnen von den Spinnen. Auch der Umweltschutz würde sich freuen: Im Gegensatz zu Kunstfasern wäre die Erzeugung von Spinnenseide nicht nur umweltfreundlich, die Fäden sind auch vollständig biologisch abbaubar.

Vergebliche Zuchtversuche
Die Spinne ist leider aber ein ausgesprochenes Wildtier: Versuche, ihr den Seidenfaden in Gefangenschaft zu entlocken, scheiterten. Da Spinnen sich gegenseitig fressen, sind sie schwer zu halten. Zudem produzieren sie in Gefangenschaft nicht genügend Seide. Seit aber 2001 der genetische Aufbau der Spinnenseide entschlüsselt wurde, laborieren Gentechniker weltweit an Alternativen zur Spinne. Unterschiedlichste Organismen wurden gentechnisch zur Produktion des Seidenproteins angeregt.


Erste künstliche Spinnenseide
Der Forschergruppe um Dr. Thomas Scheibel von der Technischen Universität München gelang es mit neuen Methoden, auf künstlichem Wege einen Seidenfaden herzustellen, der vom Original nicht zu unterscheiden ist. Dafür wurden die Originalgene der Spinnenseide per Virus in Schmetterlingszellen eingeschleust, die daraufhin «echte» Spinnenseiden erzeugten. Eine zweite Methode sollte sicherstellen, dass der Faden auch im industriellen Maßstab erzeugt werden kann.
Dafür haben die Biotechnologen in Garching bei München, in Zusammenarbeit mit der Universität Jerusalem, bakterielle Erzeugungswege ausgearbeitet: «Maßgeschneiderte» Seidengene werden in Bakterien eingesetzt, um den Seidenfaden leicht und in großer Menge erzeugen zu können. Damit, so Scheibel, lässt sich die Spinnenseide erstmals «im Kilogramm-Maßstab» erzeugen - zu Preisen, die der Erzeugung von Kevlar oder anderen Kunstfasern vergleichbar sind.

Quelle: www.br-online.de/wissen-bildung